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Was ist eine Bordunzither ?

Als Bordunzither wird ein historisches Saiteninstrument bezeichnet, das aus einem Korpus mit Kopf und Griffbrett besteht. Einige Melodiesaiten befinden sich über dem Griffbrett und zusätzliche Bordunsaiten laufen neben dem Griffbrett über den Korpus. Das Griffbrett ist mit Bünden diatonisch aufgeteilt, mit einer Tonfolge ohne "schräg" klingende Töne.


Zum Spielen werden die Melodiesaiten mit den Fingern auf das Griffbrett gedrückt und mit einem Plektrum gezupft. Dabei geraten die hinteren Bordunsaiten selbstständig in Schwingung und begleiten mit ihrem ständig brummenden Bordunton (Halteton) die Melodie. Ab und zu werden sie als Akzent mitgespielt.


Die Wurzeln der Bordunzither liegen im Mittelalter, bei saitenbespannten Begleitinstrumenten für kirchlichen Gesang (Schlagzither, Monochord). Bordunzithern sind seit dem frühen 17. Jh. im nordeuropäischen Raum nachgewiesen. Sie verbreiteten sich über Handelsrouten zur See entlang der Nordseeküste von Frankreich über Belgien, den Niederlanden, Ost- und Nord-Friesland mit den Inseln, Schleswig-Holstein und Dänemark, bis hinauf nach Norwegen und Schweden.


Jede Region weist ihre spezielle Bauform auf. Es gibt kleine oder große Klangkörper, lange trapezförmige Kästen, kunstvoll gebogene Rundungen, ein einfacher oder doppelstöckiger Aufbau. Die regionalen Namen lauten Französisches Epinett, Belgische Hommel, Niederländischer Noardske Balke, Friesische Hummel, Norwegisches Langspil … 


Das Spielen auf dem diatonischen Griffbrett ist einfach zu erlernen. Als beliebtes Instrument für Hausmusik erklang die Bordunzither in der guten Stube von Bauern, Kaufleuten, Handwerkern, Kapitänen und an adeligen Höfen. Im familiären Kreis wurden traditionelle Lieder, träumerische Melodien, Kirchenlieder und flotte Tanzmusik zum "Danz op de Deel“ gespielt.

Gebaut wurden die Instrumente als Einzelstücke vom Holz-Handwerker oder vom professionellen Instrumentenbauer. Viele historische Bordunzithern sind schmucklos und schlicht gearbeitet, doch einige besitzen einen aufwändig geschnitzten Kopf oder reich verzierte Schallöffnungen. Manche, die zu besonderen Anlässen hergestellt wurden, wurden bunt bemalt (Hochzeitshummel von der nordfriesischen Insel Langeneß).


Zum Bau wurden unterschiedliche Hölzer verwendet. Die Bünde bestanden historisch aus eingeschlagenen Drahtbügeln. Deren Position der Instrumentenbauer entweder mathematisch exakt, nach Gehör oder passend zur Gesangsstimme der Kundin gesetzt. Die spielbaren Töne können mehr oder weniger von der heutzutage exakt definierten Tonhöhe einer Note abweichen, was damals wohl niemanden gestört hatte oder sogar beabsichtigt war. Einige Instrumente wurden lediglich als Schaustücke zu Repräsentationszwecken oder als besonderes Geschenk (Hochzeit-Hummel) hergestellt und sind kaum spielbar. Manche sind wegen ihrer ungewöhnlich gesetzten Bünde im Klang ziemlich "schräg".


Anfang des 20. Jh. fand die Verwendung der Bordunzither in der Hausmusik mit dem Aufkommen von Grammophon und Radio ein vorläufiges Ende. Die relativ leise Bordunzither wurde verdrängt von neuen lauten Instrumenten zur Beschallung von großen Tanzveranstaltungen. Viele historische Bordunzithern gingen im Laufe der Jahre verloren, einige Exemplare überdauerten die Zeiten in Museen. Vielleicht läßt sich die Hummel in ihrer ursprünglichen Heimat wieder reaktivieren? Die Freude an Musik beginnt, glaube ich, mit diesen ganz einfachen Instrumenten.


Die Hummel

Ihren norddeutschen Namen verdankt die Hummel dem brummenden Dauerton der Bordunsaiten, welches an das Fluggeräusch des Insekts Hummel erinnert. Eine oft verwendete historische Stimmung der Hummel ist dd-G-D plus mehrere Bordunsaiten in G.


Die Hummeln von der Nordseeküste weisen alle eine asymmetrische Bauweise auf. Der Korpus ist auf der Spielerinseite gerade, dagegen befindet sich auf der Publikumsseite eine große schwungvolle Ausbuchtung. Es wird im Stehen oder im Sitzen gespielt. Dazu liegt das Instrument auf dem Tisch, parallel zur vorderen Tischkante oder auf einem Brett auf den Oberschenkeln. Aufgrund der asymmetrischen Form befindet sich das Griffbrett bequem unter den Händen.


„Nach dem Abendessen holte der Bauer die Hummel hervor und stimmte ein Liedchen an, zu dem Magd, Knecht und die Kinder fröhlich auf der Diele tanzten“


Der Mountain Dulcimer

Die Auswanderer nach Amerika hatten einige Bordunzithern ihrer alten Heimat im Gepäck. Daraus entwickelte sich in den Appalachen der Mountain Dulcimer, dabei wurden die zusätzlichen Bordunsaiten weggelassen. Der traditionelle Mountain Dulcimer trägt vier Saiten über dem Griffbrett. Die erste Melodiesaite ist gedoppelt.
Die amerikanische Standardstimmung ist dd-A-D.


Den Mountain Dulcimer gibt es in vielen unterschiedlichen Korpusformen. Weit verbreitet sind die Tropfenform (Teardrop) und die Sanduhrform (Hourglass). Das Griffbrett kann diatonisch oder chromatisch (mit allen Tönen in Halbtonschritten) bundiert sein. Im Vergleich zum vollen Klang einer Hummel klingt der Mountain Dulcimer etwas klarer, weil das sonore Brummen der zusätzlichen Bordune fehlt. Viele Mountain Dulcimer klingen sehr mittenbetont und nasal, was zur rhythmischen Begleitung in einer Folk-Band durchaus gewünscht ist.


In den 1960er und 1970er Jahren, im Zuge des amerikanischen Folk-Revival, erfreute sich der Mountain Dulcimer bei jungen Leuten großer Beliebtheit. Mit der Hippie-Bewegung wurde das Instrument aus USA zurück nach Europa "re-importiert". Aktuell wird der Mountain Dulcimer in amerikanischen Folk-Gruppen intensiv gespielt und hat auch hierzulande neue Freunde gefunden.


Hummel vs. Mountain Dulcimer

Der Unterschied zwischen Hummel und Mountain Dulcimer definiert sich für mich durch die zusätzlichen Bordunsaiten neben dem Griffbrett. Die Form des Korpus ist dagegen kein sicheres Unterscheidungskriterium, beide Instrumente gibt es in sehr vielen Formen und Bauweisen.


Mountain Dulcimer Spielerinnen bezeichnen die Saite(n), die neben der (gedoppelten) Melodiesaite über dem Griffbrett liegt, als Bordunsaite. Ich sehe diese Saite(n) eher als weitere Melodiesaiten an, denn sie können ebenfalls auf die Bünde niedergedrückt werden und so in das Melodiespiel einbezogen oder Akkorde gegriffen werden. Die "richtigen" Bordunsaiten einer Hummel dagegen brummen immer im gleichen Ton.


Verwechslungen möglich ?

Der Mountain Dulcimer ist nicht zu verwechseln mit dem - ohne Vornamen - Dulcimer, der auch als Hackbrett bezeichnet wird. Das Hackbrett ist ein trapezförmiger Kasten, der mit sehr vielen Saiten quer bespannt ist und der mit zwei Klöppeln gespielt (gehackt) wird. Dieser Klang erinnert an ein Glockenspiel oder Xylophon. 


Das Instrument "Hummel" ist auch nicht zu verwechseln mit dem "Hümmelchen", welches ein kleiner Dudelsack ist.

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